Frankreich: Welcher Präsidentschaftskandidat garantiert deutsch-französische Kontinuität?

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Sarkozy oder Hollande: Wenn Berlin die Wahl hätte

>Welcher Präsidentschaftskandidat garantiert Kontinuität?

 

von Alexander von Sobeck, Paris

Wahlkampf-Auftakt in Frankreich: Ob Nicolas Sarkozy wieder Präsident wird oder der Sozialist François Hollande das Rennen macht, hat auch Folgen für das deutsch-französische Verhältnis. Mit Hollande wäre eine Fortsetzung des Kuschelkurses schwierig.

Am 22. Januar 2013 soll das Jubiläum des Elysée-Vertrages gefeiert werden. 60 Jahre deutsch-französische Freundschaft sind immerhin Anlass genug für ein großes Fest, um an den Tag zu erinnern, an dem Charles de Gaulle und Konrad Adenauer die "Erbfeindschaft" zwischen beiden Ländern begruben. Aber die Vorbereitungen dafür laufen schleppend. Beiden Seiten fehlen zündende Ideen, wie man das Ereignis würdig und zeitgemäß begehen könnte. Das liegt nicht zuletzt daran, dass derzeit keine Seite weiß, wer mitfeiern wird. Denn die Franzosen wählen am 6. Mai einen neuen Präsidenten - nochmal Amtsinhaber Nicolas Sarkozy oder seinen Herausforderer, den Sozialisten François Hollande.

Einigkeit auch für Europa gut

Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten immer dann gut funktioniert, wenn Berlin und Paris an einem Strang gezogen haben. Dafür musste allerdings die Chemie zwischen den Mächtigen stimmen. Der Konservative Helmut Kohl und der Sozialist François Mitterrand haben Großes zustande gebracht, die Versöhnung über den Gräbern von Verdun, die deutsche Einheit, gegen die sich der Franzose anfangs stemmte.

Jacques Chirac und Gerhard Schröder pflegten dagegen zunächst ein Unverhältnis und prompt ging am 11. Dezember 2000 der Vertrag von Nizza schief. Europa hatte viele Jahre darunter zu leiden. Unter dem Eindruck dieser schlechten Erfahrung rauften sich die beiden im Januar 2001 beim Bier im elsässischen Blaesheim zusammen. Danach war Gerhard Schröder sogar als erster deutscher Bundeskanzler ein gern gesehener Gast beim 60. Jahrestag der Landung alliierter Truppen in der Normandie.

"Arbeiten freundschaftlich zusammen"

Auch Nicolas Sarkozy und Angela Merkel haben sich über die Jahre zusammengerauft. "Es war uns nicht in die Wiege gelegt, dass wir uns gut verstehen, dass wir freundschaftlich zusammenarbeiten, dass wir uns aufeinander verlassen können. Aber wir haben es aus historischer Verantwortung und aus persönlicher Zuneigung getan", sagte die Kanzlerin am 6. Februar in einem gemeinsamen ZDF-Interview mit dem französischen Präsidenten.

Angela Merkel und Nicolas Sarkozy im ZDF-Interview (6.2.2012)

Tatsächlich hatte es in der Sache oft genug Zoff zwischen den beiden gegeben. Aber manch lange Gipfelnacht, in der sich beide gegen Banken-, Schulden-, Finanz- und Eurokrise stemmten, hat sie zusammengeschweißt. So eng, dass Nicolas Sarkozy den Franzosen dauernd das deutsche Wirtschaftsmodell als leuchtendes Beispiel vor Augen hielt - so lange, bis unsere Nachbarn davon sichtlich genervt waren. Angela Merkel wollte ihrem Duzfreund Nico sogar in seinem Wahlkampf tatkräftig unter die Arme greifen, bevor beide feststellen mussten, dass dieser Schuss nach hinten losging. Also wurde sie flugs wieder ausgeladen, was im Berliner Kanzleramt auf wenig Bedauern stieß.

Gute Chancen für Sozialisten

Denn traut man den Meinungsumfragen für den zweiten Wahlgang in Frankreich, dann ist die Chance durchaus realistisch, dass nach dem 6. Mai François Hollande im Elysée-Palast regiert. Mit ihrer klaren Parteinahme für Sarkozy und der Weigerung, Hollande in Berlin zu empfangen, hat die Kanzlerin den Sozialisten ganz undiplomatisch vor den Kopf gestoßen. Selbst wenn sich deutsche Emissäre seit Wochen bemühen, in Frankreichs linkem Lager zerschlagenes Porzellan zu kitten, in dem sie versichern, dass sich an den guten Beziehungen auch mit einem Präsidentenwechsel nichts ändern wird.

Francois Hollande im ZDF-Interview: "Frankreich meistert die Krise allein" (3.4.2012)

Hollande selbst zeigt sich gelassen und verständnisvoll. Gegenüber dem ZDF sagte er: "Ich habe ihre Position vollkommen verstanden. Sie ist auf persönlicher Ebene mit Monsieur Sarkozy verbunden. Sie haben zusammengearbeitet. Und sie sind auf politischer Ebene aneinander gebunden. Sie gehören der gleichen Gruppierung - also den Konservativen in Europa - an. Daher hat mich das überhaupt nicht schockiert. Mich zu empfangen, das war keine Verpflichtung für sie. Also warte ich darauf, dass das französische Volk mir den Auftrag gibt, mit der Kanzlerin auf Augenhöhe zu verhandeln. Vor allem über die Frage des europäischen Wachstums, denn das hat für mich Priorität."

Könnte Merkel mit Hollande?

Genau da wird aber das Problem der beiden liegen. Denn die Kanzlerin hat gute Gründe, Hollande als künftigen Partner zu fürchten. Denn er will den mühsam ausgehandelten europäischen Fiskalpakt wieder aufschnüren, viele von Sarkozys Sozialreformen revidieren, die Deutschland zum Vorbild genommen hatten. Und er fordert eine Reichensteuer von 75 Prozent, am liebsten europaweit. Müsste die Kanzlerin auf so eine neue französische Linie Rücksicht nehmen, dann könnte sie das eigentlich nur mit einer Großen Koalition in Berlin, sicher nicht mit der FDP. Aber vielleicht ist das genau ihr Machtkalkül.

Vom Typus her könnte ein Duo Merkel/Hollande durchaus funktionieren. Der Franzose ist der genaue Gegenentwurf zu Nicolas Sarkozy: höflich, verbindlich, verlässlich, grundsolide, bis an die Grenze der Langeweile. Eigenschaften also, die Merkels Naturell entsprechen. Und schließlich währt die deutsch-französische Freundschaft bald 60 Jahre. Da wird man sich eben zusammenraufen.