Deutschlands Exportüberschüsse - Von der Wachstumslokomotive zum Sündenbock - andere EU landen internationaliseren te weinig

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Doch inzwischen richten sich immer mehr mahnende Zeigefinger Richtung Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mussten sich in den vergangenen Wochen immer wieder anhören, in welche Schieflage die deutsche Wirtschaft geraten ist und wie sie es besser machen können.

Und nun hat auch die EU-Kommission offiziell Bedenken gegen das deutsche Wirtschaftsmodell angemeldet. Der lange als Wachstumslokomotive Europas gepriesenen Bundesrepublik wird nun vorgeworfen, mit ihrer einseitigen Konzentration auf den Export der Euro-Zone zu schaden und die Ungleichgewichte noch zu verschlimmern.

Damit stimmt die Kommission in die Kritik aus den USA ein: "Das langsame Tempo beim Wachstum der heimischen Nachfrage in Deutschland und die Abhängigkeit vom Export hat eine Rückkehr zum Gleichgewicht verhindert zu einer Zeit, da viele Länder der Euro-Zone unter starkem Druck standen, die Nachfrage zu drosseln und die Importe zu kürzen", stellte das US-Finanzministerium in seinem Halbjahresbericht fest.

Kritik aus den USA, Italien und vom IWF

Im Klartext: Die Bundesrepublik tut zu wenig, um den Binnenkonsum und die Investitionen anzukurbeln. Und: Den deutschen Exportboom haben die Peripherieländer teuer bezahlt. In die gleiche Kerbe schlug Anfang der Woche auch Italiens Ministerpräsident Enrico Letta: "Wenn es nur Wachstum und Stabilität in Deutschland gibt und der Rest von Europa außen vor gelassen wird, wird das am Ende auch schlecht für Europa sein". Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) mäkelte in der Angelegenheit mehrfach an Deutschland herum.

Richtig ist: Deutschlands Handelsbilanzüberschuss ist riesig. Im September überstiegen die Ausfuhren die Importe um den Rekordwert von 20,4 Milliarden Euro. Neu ist die Erkenntnis dagegen nicht. Bei der EU-Kommission in Brüssel schrillen die Alarmglocken, sobald der Überschuss 6 Prozent der Wirtschaftsleistung übersteigt. Das ist in Deutschland seit 2007 der Fall. Im ersten Halbjahr lag der Wert bei 7,2 Prozent.

Allerdings wurde das makroökonomische Frühwarnsystem der EU erst Ende 2011 eingeführt. Im vergangenen Jahr lag Deutschland 0,1 Prozent unter dem kritischen Wert, korrigierte ihn jedoch später geräuschlos auf 6,1 Prozent, wie der Thinktank Bruegel schreibt. Auch Deutschland hat dem Frühwarnsystem zugestimmt. Dass man nun selbst ins Visier der Kommission geraten ist, nachdem der Überschuss nach den Maßstäben der EU jahrelang aus dem Ruder gelaufen ist, dürfte also eigentlich niemanden aufschrecken.