Interessenwandel - US-Autobosse fürchten automüde Teenager

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Interessenwandel

US-Autobosse fürchten automüde Teenager

Von Markus Gärtner

Interessenswandel: US-Autobosse fürchten automüde Teenager
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Corbis

Es klingt unglaublich: Ausgerechnet in den USA, dem Mutterland der Mobilität, verzichten vermehrt junge Amerikaner auf das eigene Auto. Sie surfen lieber im Internet. Und viele bekommen auch keinen Kredit für einen Pkw. Beides türmt sich zu einem Tsunami, der die US-Autoindustrie massiv bedroht.

Detroit - Der Presserummel um die Neuheiten der Auto Show in Detroit hat sich gelegt. Doch die Manager der PS-Branche bleiben in Feierlaune und freuen sich an der Wiederauferstehung des US-Markts: Er hat im vergangenen Jahr mit einem Absatzplus von mehr als 10 Prozent eine beeindruckende Kehrtwende hingelegt. Auch 2012 soll das Verkaufsplus zwischen 5 und 10 Prozent liegen, so dass die USA im laufenden Jahr auf den Verkauf von 14 Millionen verkauften Pkw zusteuern. Damit werden sie eine der globalen Zugmaschinen in der weltweiten Autoindustrie sein.

Doch wer nur die Firmenbilanzen und die Vorhersagen der nächsten zwölf Monate liest, übersieht einen der wichtigsten Trends in dieser Industrie. Er stellt die Autobranche in den USA vor die vielleicht größte Herausforderung, der sie je begegnen musste.

Das Wachstum der US-Bevölkerung ist so niedrig wie seit den 40er Jahren nicht mehr. Die Jugendarbeitslosigkeit ist - ähnlich in manchen Teilen Europas - doppelt so hoch wie die allgemeine Arbeitslosigkeit. Und hier kommt der bedenklichste Trend von allen: Ausgerechnet die junge Generation, für die seit Jahrzehnten das Auto ein Symbol frisch erlangter Unabhängigkeit und der ultimative Ausdruck von Individualität war, gibt nicht mehr so viel auf diese Art der Mobilität.

Gerade in jenem Land, in dem sich weite Teile der Identität vom Auto ableiten, schleicht sich eine Zeitenwende wie Gift in die langfristigen Pläne der Verkaufsmanager. Im Jahr 2008, so berichtet das Fachmagazin Traffic Injury Prevention, hatten nur noch 31 Prozent der 16-jährigen einen Führerschein; diese Rate hatte noch im Jahr 1983 bei satten 46 Prozent gelegen. Auch bei den 18-jährigen ist dieser Abwärtstrend gut erkennbar: Von 80 Prozent im Jahr 1983 auf zuletzt 65 Prozent. Zahlreiche Untersuchungen der vergangenen Monate, darunter eine Untersuchung des landesweit größten Mitfahranbieters Zipcar, belegen, dass das Freiheitssysmbol auf vier Rädern einiges von seinem Lack verliert. Laut Zipcar bemühen sich mehr als die Hälfte der Autofahrer unter 44 Jahren die Zeit, die sie im Auto unterwegs sind, zu reduzieren.

Das Auto verblasst als Symbol für Freiheit

Mehr noch: Der jüngste "National Household Travel Survey" des US-Verkehrsministeriums offenbart eine Gesellschaft, in der die Mobilität mit dem Auto erstmals seit vier Jahrzehnten quer durch die Altergruppen abnimmt, und zwar unter jungen Leuten besonders stark. Seit 1969 hatte demnach die Zahl der Autos in den USA eineinhalb Mal so schnell zugenommen wie die Zahl der Führerscheinbesitzer. Doch jetzt beginnt sich erstmals das Blatt zu wenden: "Die durchschnittliche Zahl von Autofahrten sowie die gefahrenen Kilometer je Fahrer liegen deutlich unter den Schätzungen von 2011", heißt es dort.

 

Nach einem Höhepunkt von 4,3 Fahrten pro Tag im Jahr 1995 werden jetzt nur noch 3,79 Fahrten unternommen. "Der stärkste Rückgang ist in der Altersgruppe der 16- bis 20-Jährigen zu beobachten, danach in der Gruppe der 21- bis 35-Jährigen", heißt es in der Beweglichkeitsanalyse der Verkehrsbehörde. Beträgt der allgemeine Rückgang bei der Zahl der täglichen Fahrten insgesamt 11,6 Prozent, so veranschlagt ihn die Federal Highway Administration in Washington auf 24 Prozent bei den 16 bis 20 Jahre alten US-Amerikanern. Und in der Zipcar-Untersuchung ist der Rückgang der Zeit, die Fahrer in ihrem PKW zubringen, bei den zwei jüngsten Altergruppen mit Führerschein am größten.

"Ich glaube nicht, dass das Auto für die "Generation Y", in den USA auch "Millennials" genannt, noch im gleichen Ausmaß wie für die Generation der "Baby Boomer" ein Symbol der Freiheit ist", sagt selbst die für globale Trends beim Autoriesen Ford Chart zeigen zuständige Zukunftsmanagerin Sheryl Connelly. "Es gibt inzwischen viel mehr Spielzeuge, die um das Geld der jüngeren Leute werben", sagt Connelly. Das ist ein kaum verhüllter Hinweis auf Smartphones und die sozialen Plattformen im Internet. Dieser Hinweis kommt recht häufig in den USA, wenn der nachlassende Appeal des Autos für die jüngere Generation erklärt werden soll.

Für den Technikjournalisten Clive Thompson ist das Auto plötzlich sogar nicht mehr das Vehikel, das auf die Straße zur Freiheit führt, sondern das Problem: "Was wäre, wenn das Wichtigste Vergnügen für die "Generation Y" das Versenden von Textbotschaften ist und nicht das Auto?", fragt Thompson ketzerisch. Eine Anspielung, die von einer Umfrage des IT-Analyseunternehmens Gartner bekräftigt wird. Demnach würden satte 46 Prozent der 18- bis 24-jährigen, wenn sie sich zwischen einem Internetzugang und einem eigenen Auto entscheiden müssten, für den Internetspaß votieren. Mobilität vom Sofa aus, statt auf der Autobahn.