Anwerbeaktion - Schwäbisch Hall lockt 10.000 Portugiesen

29.02.2012

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Anwerbeaktion

Schwäbisch Hall lockt 10.000 Portugiesen

Schwäbische Idylle: Altstadt von Schwäbisch Hall
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Schwäbische Idylle: Altstadt von Schwäbisch Hall

Die Stadt Schwäbisch Hall wirbt aktiv um Fachkräfte aus den südeuropäischen Krisenstaaten. Eine Presseaktion traf auf überwältigende Resonanz vor allem aus Portugal. Der Kontrast mit der trostlosen Lage in der Heimat wird immer deutlicher.

Schwäbisch Hall - Nach einer Anwerbeaktion vor einem Monat wollen mehr als 10.000 Portugiesen einen Job in Schwäbisch Hall antreten. Die Stadt sei von dem Ansturm aus dem südeuropäischen Land völlig überrascht, sagte Sprecher Robert Gruner am Mittwoch. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, hatte sie Ende Januar eine Informationsreise für sieben Journalisten aus Griechenland, Italien, Spanien und Portugal organisiert.

Seit der Veröffentlichung der ersten Artikel laufen die elektronischen Briefkästen von Arbeitsagentur, Unternehmen und Stadtverwaltung über. Teilweise seien minütlich Bewerbungen eingegangen, hieß es, die meisten davon aus Portugal. Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim (SPD) wertete die Aktion, die die Stadt 10.000 Euro kostete, als vollen Erfolg.

Die Wirtschaftszeitung "Diário Económico" hatte Schwäbisch Hall als "die Stadt, wo die Jobs Leute suchen" und Musterbeispiel für multikulturelles Zusammenleben und -arbeiten gelobt und die ansässige Projektmanagerin Liliana Henriques zitiert, alle Wohnungen seien gut auf den kalten Winter eingerichtet. Ein Personalmanager des Maschinenbauers Voith erklärte, auch portugiesische Sprachkenntnisse könnten wegen des Handels mit Brasilien und Angola von Vorteil sein.

Selbst der linke Ökonom Krugman rät Portugal zu drastischer Lohnkürzung

Das 60 Kilometer nordöstlich von Stuttgart gelegene Schwäbisch Hall zählt 37.000 Einwohner. Im Landkreis mit 188.000 Einwohnern sind aktuell 3492 Arbeitslose gemeldet, eine Quote von 3,4 Prozent. Laut Arbeitsagentur gab es im Februar 1589 offene Stellen.

Die Stadt ist für die gleichnamige genossenschaftliche Bausparkasse bekannt. In der Industrie dominieren mittelständische Betriebe wie Klafs Saunabau oder der Verpackungsmaschinenhersteller Optima Group, nach eigenen Angaben Weltmarktführer im Geschäft mit Maschinen für die Verpackung von Windeln und anderen Hygieneprodukten. Auch die Würth-Gruppe ist mit einem Solarwerk vertreten. Der Hohenlohekreis, als Heimat der kleinen Weltmarktführer bekannt, grenzt direkt nördlich an.

Portugal bezieht derzeit wie Griechenland und Irland Hilfskredite der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds. Im Gegenzug verlangen die Geldgeber harte Sparmaßnahmen und Reformen, unter anderem des Arbeitsmarkts und des Rentensystems. Das Geld reicht noch bis September 2013. Im Prinzip ist vorgesehen, dass Portugal im zweiten Halbjahr 2013 wieder an die Märkte zurückkehrt. Die weiter steigenden Renditen für portugiesische Staatsanleihen deuten aber daraufhin, dass am Markt über ein Scheitern des Programms und eine weitere Eskalation wie in Griechenland spekuliert wird.

Die Experten der "Troika" von der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Weltwährungsfonds (IWF) gaben am Dienstag grünes Licht für eine neue Milliarden-Tranche aus dem Hilfspaket für das hoch verschuldete Land. Dennoch musste die Regierung ihre Prognosen korrigieren. Sie erwartet nun, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um weitere 3,3 Prozent schrumpft und die Arbeitslosenquote auf 14,5 Prozent steigt.

Präsident Aníbal Cavaco Silva warnte am Mittwoch, es sei "unmöglich", den "neuen Armen" noch mehr Sparmaßnahmen aufzubürden. Viele Familien hätten Schwierigkeiten, ihre Kinder zur Schule zu schicken oder müssten alte Familienmitglieder aus Pflegeheimen abmelden. Sein Parteikollege Pedro Passos Coelho jedoch verspricht als Premierminister, "alles Notwendige" zu tun, um die Schulden zu senken.

Der US-Ökonom Paul Krugman meinte, die Lage Portugals sei viel besser als die Griechenlands. Die Chancen Portugals, in der Euro-Zone zu bleiben, lägen bei 75 Prozent, meinte der Nobelpreisträger. Er gehe davon aus, dass Griechenland den Euro nicht behalten könne. Krugman empfahl den Krisenstaaten in Südeuropa, die Löhne auf 20 bis 30 Prozent unterhalb des Lohnniveaus in Deutschland zu senken. "Dies ist nicht angenehm, aber unvermeidbar." Der Wissenschaftler war am Montag in Portugal von drei Universitäten mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet worden.