Überseechinesen Die fünfte Kolonne Pekings

17.02.2012

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Überseechinesen

Die fünfte Kolonne Pekings

Von Wolfgang Hirn

Überseechinesen: Das mächtigste Netzwerk der Welt
Fotos
REUTERS

Sie bilden das größte Netzwerk der Welt. Sie sichern sich Öl in Afrika, machen Geschäfte in Budapest und erwerben Häuser in Vancouver. Der Einfluss der Überseechinesen nimmt zu - rund um den Globus und in China selbst.

Vancouver: In der Robson Street, der Einkaufsmeile der Stadt am Pazifik, wird das Straßenbild geprägt von asiatischen, meist chinesischen Gesichtern. Vancouver ist längst kein Provinznest am Ende des Westens mehr, sondern eine kosmopolitische Metropole mit starker chinesischer Prägung.

Singapur: Die ganze Stadt ist eine Chinatown. Die politische und wirtschaftliche Elite des südostasiatischen Landes rekrutiert sich aus exzellent ausgebildeten Chinesen, die mit milder Autorität den Stadtstaat hocherfolgreich lenken.

Sydney: Auf dem schmucken Campus der University of New South Wales im Süden der größten australischen Stadt schlendern Tausende chinesische Studenten. Essen und feiern tun sie freilich im Zentrum Sydneys, wo zwischen Bahnhof und Darling Harbour eine große Chinatown entstanden ist.

Johannesburg: In Cyrildene am hügeligen Stadtrand der südafrikanischen Wirtschaftsmetropole ist in den vergangenen Jahren eine neue Chinatown entstanden - Folge des rasant zunehmenden chinesischen Engagements in Afrika.

Prato: In der engen Via Pistoiese gibt es fast nur noch chinesische Geschäfte und Restaurants. Rund 50.000 Chinesen leben legal oder illegal in der toskanischen Stadt, die einst eine italienische Textilhochburg war. Textilmetropole ist Prato immer noch, aber nun in Hand von Chinesen - die vor Ort viel billiger produzieren als die einheimischen Italiener.

Fünf Orte auf fünf Kontinenten. Fünf Beispiele für den globalen Expansionsdrang der Chinesen. Überall sind sie inzwischen, die sogenannten Überseechinesen. Rund 40 Millionen leben und arbeiten außerhalb der Volksrepublik.

Keine Nation der Erde hat eine größere Diaspora. Und es ist nicht nur die Masse, die beeindruckt, sondern auch die Qualität: "Das sind die smartesten und ambitioniertesten Chinesen, die das Mutterland hervorgebracht hat", urteilt der britische Autor Robert Guest, dessen Buch "Borderless Economics" die neuen weltweiten Migrationsströme analysiert.

Überseechinesen bilden ein globales Netzwerk, das weniger untereinander verwoben ist als mit dem Mutterland. Die Überseechinesen - das wird im Westen gravierend unterschätzt - leisten einen entscheidenden Beitrag beim Aufstieg Chinas: Sie tätigen milliardenschwere Investitionen in der Volksrepublik; durch sie fließt jede Menge Know-how aus aller Welt in die Heimat.

Und weil die Beziehung zwischen ihnen und dem Mutterland zunehmend enger wird, werden sie künftig das ohnehin schon starke China noch stärker machen.