Busse aus China Berliner Unternehmer versetzt Daimler und Co. den Elektroschock

Busse aus China

Berliner Unternehmer versetzt Daimler und Co. den Elektroschock

Von Nils-Viktor Sorge, Berlin

Elektrobus aus China: Stromer zum Billigpreis
Fotos
manager magazin online

Alarmstimmung in der Autobranche: Ein Berliner Unternehmer importiert die ersten Elektro-Stadtbusse aus China. Sie sind leise, sauber - und billig. Experten reiben sich die Augen, Verkehrsbetriebe sind begeistert. Daimler, MAN und Co. sehen plötzlich verdammt alt aus.

Berlin - Ein Ruck, dann ist die Klappe offen. "Nur gucken, nicht anfassen", sagt Jörg Miller und lacht. Der Busfahrer im Blaumann hat den Blick freigegeben auf das Herzstück seines Fahrzeuges: die Batterien. Metallkisten, groß wie Umzugskartons, verteilen sich im Heck. Blitzsymbole warnen vor der Spannung von 346 Volt.

Die Akkus liefern Kraft für einen Stadtbus, wie er noch nicht zu sehen war auf dem Omnibushof in Berlin-Spandau - und der überhaupt neu ist in Europa. Strom aus dem Lithium-Polymer-Speicher, sonst nichts, treibt das 12-Meter-Gefährt an. Äußerlich unterscheidet es sich nur durch die aufgemalten Blumen von den anderen Bussen, die in Reih und Glied auf dem Asphaltfeld parken. Doch das Innenleben scheint geeignet, mindestens einen Zweig der Autoindustrie gehörig durcheinander zu wirbeln.

Thomas-Christian Seitz weiß, dass er gegen so ziemlich alle Gewissheiten der Branche gehandelt hat, als er das Fahrzeug in China umbauen und auf ein Containerschiff mit Zielhafen Hamburg schnallen ließ. Jetzt steht der Geschäftsführer der Firma Euracom mit seinen zwei Metern im grauen Anzug neben seinem Eurabus und nickt zufrieden. "Das Faszinierende ist: Es geht."

Es geht? Fast niemand hatte die Batterietechnik für Busse hierzulande bisher auf dem Zettel, wenn es um die Suche nach alternativen Antrieben ging. Hybrid, Brennstoffzelle, vielleicht Erdgas - so versucht die europäische Busindustrie seit 40 Jahren den Umstieg auf neue Antriebe zu bewältigen und kommt kaum voran. Daimler, MAN, Volvo und Co. haben Milliarden investiert und profitieren von hohen Staatszuschüssen für ihre Entwicklungen, die zum Teil weit von der Marktreife entfernt sind.

Chinesen setzen zum Überholvorgang an

Und nun kommt dieser Schlaks und erzählt in den Verkehrsbetrieben trocken, dass die Chinesen technologisch gerade zum Überholvorgang auf der rechten Spur ansetzen. Im bevölkerungsreichsten Staat der Welt sind laut der Unternehmensberatung Roland Berger bereits mehr als 1000 Batteriebusse im Einsatz. Die Hersteller fahren ihre Kapazität auf vierstellige Produktionszahlen im Jahr herauf. Städte verbannen lärmende und stinkende Dieselbusse - die zudem bei jedem Ölpreisanstieg mehr Geld verbrennen.

Die Batteriebusse werden derweil besser und billiger. "Die Entwicklung verläuft rasant", sagt Seitz mit gleichgültigem Berliner Tonfall, als sei es eine Selbstverständlichkeit. Gut 250, bald 400 Kilometer weit kommen die Busse mit einer Ladung, das belegen auch die ersten Versuche in Europa, wie beteiligte Verkehrsunternehmen gegenüber manager magazin online bestätigen. Das reicht für die meisten Einsätze in Städten. Aufgeladen wird nachts - in maximal drei Stunden.

Die Frage ist noch, ob die Reichweite bei eingeschalteter Heizung im Winter dank neuer Technik tatsächlich nur um 10 Prozent sinkt, wie Labortests in China ergeben haben sollen. Die Verkehrsgesellschaft des Kreises Pinneberg in Uetersen bei Hamburg unterzieht den Bus in Kürze einem fast einjährigen Härtetest im Linienbetrieb.